Kurz vor der Fertigstellung des Circles am Flughafen Zürich sprachen die Verantwortlichen von einer «Schnittstelle zwischen Stadt und Internationalität». Der Circle werde «ein Ort des Einkaufens und Verweilens», so das Versprechen. Rund drei Jahre später zeigt sich: Verweilt wird im Milliardenprojekt kaum.
Ein Gang durch den Circle zeigt: Die Kommerzflächen im Erdgeschoss sind nicht alle vermietet, auch Passanten sind kaum auszumachen. Teilweise deckt der Flughafen Zürich leere Stores mit schwarzen, werbe-verzierten Wänden ab. Hinzu kommt, dass Jelmoli, der mit zwei Stores im Circle eingemietet ist, Ende 2024 nicht mehr vor Ort sein wird – das Luxus-Möbelgeschäft Bruno Wickart hat den Circle bereits verlassen.
«Man trifft hier kaum auf Menschen»
Zuletzt kehrte die Neuroth Hörcenter AG im November 2023 dem Circle den Rücken. Die Begründung ist brutal. Auf Anfrage sagt Thomas Huber von der Neuroth-Gruppe: «Die Frequenz war für uns zu gering, um einen Standort profitabel zu betreiben.» Mit anderen Worten: Der Circle zieht zu wenig Kundschaft an.
Dass nur wenige den Circle besuchen, bestätigt auch eine junge Frau, die aufgrund ihres Arbeitswegs oft am Circle ist. «Man trifft hier kaum auf Menschen. Die meiste Zeit wirkt der Circle wie ausgestorben.» Wenn mal etwas los sei, dann nur, wenn Events im Circle stattfänden, wie beispielsweise während der Adventszeit. «Um die Mittagszeit trifft man mehr Menschen im Circle an», relativiert die junge Frau. «Das sind aber weitestgehend Personen, die im Komplex arbeiten.»
Die Zürcherin ist der Meinung, dass auch die Lage zum mangelnden Besucheraufkommen beiträgt. «Zwar ist es toll, dass es einen Tunnel vom Flughafen zum Circle gibt, dieser aber wirkt wenig einladend und ist endlos lang.» Wolle man im Freien zum Circle gehen, sei es schlecht signalisiert. «Personen, die nicht aus Zürich sind, glauben kaum, dass nach dem Busbahnhof und der Tramhaltestelle eine solche Einkaufs- und Verweilmöglichkeit besteht», sagt die Passantin.
Der Flughafen will im Retail-Bereich «nachjustieren»
Eine Frequenzauswertung des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI) zeigt, wie sich die Kundschaft über die Woche an einem bestimmten Ort im Circle verteilt: Nur Mittwochmittag und am Sonntagabend gehen verhältnismässig viele Menschen im Circle einkaufen. Über die restlichen Tage liegt das Besucheraufkommen im Circle konstant unter 50 Prozent.
Zum Vergleich: Im Zürich HB – ebenfalls an einem bestimmten Ort – ist es an fünf Tagen in der Woche gut gefüllt (Auswertung in der Bildstrecke). Laut der Flughafen Zürich AG haben im Jahr 2023 rund drei Millionen Menschen den Circle besucht.
Dennoch: Der Circle sei ein erfolgreiches Projekt, betont die Flughafen Zürich AG. Insgesamt sei er zu 90 Prozent vermietet. «Im Gastronomie-Bereich übertrifft die Nachfrage die Erwartungen. Punkto Retail braucht es in den nächsten zwei Jahren einzelne Nachjustierungen, was für ein neues Projekt nicht unüblich ist», sagt Flughafen-Mediensprecherin Elena Stern. Was eine Nachjustierung bedeutet, wollte Stern jedoch nicht genauer ausführen. Mehr will die Flughafen Zürich AG im ersten Halbjahr 2024 kommunizieren.
Die Flughafen Zürich AG betont aber, dass es sich beim Circle nicht um ein klassisches Shoppingcenter für Detailhändler handelt, sondern ein erfolgreiches Geschäfts- und Dienstleistungszentrum ist. «Die sich ergänzenden Nutzungen sprechen Zielkunden an, welche in einem Showroom kompetente Beratung und eine intensive Auseinandersetzung mit Produkten suchen», so Stern. Das gegenüberliegende Airport Shopping mit über 60 Geschäften erfülle hingegen die Anforderungen an eine klassische Shoppingwelt.
«Erwarteter Erfolg ist nicht eingetreten»
Präziser wird hingegen Gianluca Scheidegger, der am Gottlieb-Duttweiler-Institut zu Konsum und Handel forscht. Zur Fluktuation im Erdgeschoss des Circles sagt er: «Wenn Mieterinnen und Mieter gehen, sind sie unzufrieden. Der von diesen Geschäften erwartete Erfolg ist somit im Retail-Bereich nicht eingetreten.»
Ist die Konkurrenz mit dem nahe gelegenen Glattzentrum sowie dem Stadtzentrum also zu gross und der Circle bereits vor dem Bau zum Scheitern verurteilt gewesen? Nein, sagt Scheidegger. Zum einen zeigen Studien des GDI, dass die Gesellschaft möglichst nahe Einkaufsmöglichkeiten wieder bevorzugt und das Glattzentrum und die Innenstadt somit nur bedingt Konkurrenz darstellen. Zum anderen funktioniere das im Vergleich zum Glattzentrum und der Innenstadt auch am Sonntag geöffnete, gleich nebenan liegende «Airport Shopping» gut, was ein Zeichen für die Attraktivität des Standorts sei.
Um mehr Passanten in den Circle zu lotsen, hat Scheidegger eine mögliche Lösung parat: «In der heutigen Zeit muss man der Gesellschaft Erlebnisse bieten. Bei Herr und Frau Schweizer gehört das Shoppen zu den unbeliebtesten Freizeitaktivitäten. Kann etwas erlebt werden, generiert dies eine grössere Passantenfrequenz. Dadurch wird auch mehr geshoppt.»