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Donnerstag, April 18, 2024

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Peek & Cloppenburg im «Omnichannel»-Debakel – Schuld an der Insolvenz war auch die überteuerte Online-Strategie 

Der grösste deutsche Modehändler geht in Insolvenz, um sich neu aufzustellen. Doch Peek & Cloppenburg will dafür keine Läden schliessen, sondern speckt seinen Online-Shop ab. Ein Lehrstück, dass das Digitale nicht alles besser macht.

Der grösste deutsche Modehändler, Peek & Cloppenburg (Düsseldorf), ist insolvent. Er kündigte am Freitag an, ein Schutzschirm-Verfahren zu beantragen. Das heisst: Der Betrieb von P&C wird weiterlaufen, das Unternehmen aber unter Aufsicht eines externen Sachwalters umfassend restrukturiert werden.

Geschäftsführer Thomas Freude, erst Anfang Jahr zum Modehändler in Familienbesitz gestossen, sagte im Interview mit der «Wirtschaftswoche», dass die rund 6800 Beschäftigten weiterarbeiten könnten. Mittelfristig werden aber vor allem in der Zentrale in Düsseldorf Arbeitsplätze wegfallen. Betroffen vom Schutzschirm-Verfahren ist nur das Deutschland-Geschäft, nicht aber der internationale Kleiderhandel, zu dem auch ein Geschäft im Einkaufszentrum Sihlcity in Zürich zählt.

Die Mitte steht unter Druck

Der Fall P&C erinnert auf den ersten Blick an die Warenhaus-Kette Galeria Karstadt Kaufhof, die sich zum zweiten Mal innert drei Jahren in einem Insolvenzverfahren befindet und Dutzende Kaufhäuser schliessen wird. Wie so oft im Einzelhandel liegen die Gründe für die Misere aber in einer Mischung aus individuellen und übergeordneten Problemen. Die Pandemie sorgte für einen Umsatzeinbruch, von dem sich der Kleiderhändler noch nicht erholt hat. Zuletzt setzte auch die hohe Inflation P&C zu; viele Deutschen halten wegen des drohenden und bereits eingetretenen Kaufkraftverlusts ihr Geld zusammen.Laut Freude ist vor allem das mittlere Preissegment betroffen, während Luxusketten und Discounter weiterhin funktionieren. Das Ende des Warenhauses auszurufen, wäre also vermessen. Nobelhäuser wie das KaDeWe in Berlin oder das Alsterhaus in Hamburg laufen derzeit gut

Lahmender und teurer Online-Shop

Interessant ist allerdings, dass Thomas Freude an allen 67 Häusern von P&C festhalten will. Der Modehändler setzt damit auf eine andere Strategie zur Gesundung als Galeria Kaufhof. Ein Fingerzeig darauf, dass der Niedergang von Teilen des Einzelhandels nicht einfach damit wegerklärt werden kann, dass die Kundschaft nun lieber online statt im Laden einkaufen würde. Der führende deutsche Online-Modehändler Zalando steckt beispielsweise auch in einer Krise und plant Hunderte Kündigungen. «Die Erwartungen an das Onlinegeschäft haben sich für uns nicht ansatzweise erfüllt», sagte P&C-Geschäftsführer Freude der «Wirtschaftswoche» denn auch.

P&C hat, wie andere Händler auch, zuletzt auf eine «Omnichannel-Strategie» gesetzt. Der zeitgeistige Begriff bedeutet, dass ein Händler seine Verkaufskanäle möglichst bruchfrei und elegant miteinander verknüpfen will. Beispielsweise, indem die Kundinnen die Ware im Laden ausprobieren und sich beraten lassen können, den Kaufvorgang selbst aber nach einer Bedenkzeit später von zu Hause aus abschliessen und sich die Ware per Postdienst zuschicken lassen.

«Omnichannel» kann, gut umgesetzt, durchaus funktionieren, ist aber für schlingernde Handelsfirmen kein Allheilmittel. Bei P&C sind offenbar die Aufbaukosten des digitalen Kanals aus dem Ruder gelaufen. Das Marketing verschlang viel Geld, und die Retouren aus dem Onlineversand blieben auf einem hohen und somit wenig nachhaltigen Niveau. Freude kündigt hier Sparmassnahmen an. Man behalte den Online-Shop, wolle sich aber darauf konzentrieren, «wieder mehr Kundinnen und Kunden für unsere Stores zu begeistern».

Ein Name, zwei Unternehmen

So oder so: Die Marke Peek & Cloppenburg wird auf absehbare Zeit nicht verschwinden. Dafür sorgt zumindest im Norden Deutschlands auch eine zweite Firma desselben Namens: Peek & Cloppenburg (Hamburg) ist von der Insolvenz nicht betroffen. Die beiden Unternehmen in Düsseldorf und Hamburg gehen zwar auf dieselbe Gründerfamilie zurück, waren aber zeitlebens unabhängig voneinander. Das Düsseldorfer Haus, 1901 gegründet, geht zurück auf ein von Johann Theodor Peek und Heinrich Anton Cloppenburg 1869 in Rotterdam eröffnetes Textilhandelshaus.

Das Schisma entstand wegen der Expansionspläne von Cloppenburgs Söhnen: James Cloppenburg eröffnete ebenfalls noch 1901 in Berlin das zweite Verkaufshaus. Es war zunächst unabhängig, wurde später aber in das Düsseldorfer Unternehmen integriert, als James Cloppenburg dessen Führung übernahm. Sein Bruder Anton Cloppenburg gründete derweil 1911 in Hamburg ein unabhängiges Kleidergeschäft – es ist bis heute unabhängig geblieben. In mehreren Ländern, darunter auch in der Schweiz, sind die Hamburger überdies auch mit Läden unter dem Namen Van Graaf präsent.

In Deutschland haben sich die beiden Unternehmen den Markt geografisch säuberlich aufgeteilt, ähnlich wie Aldi Nord und Aldi Süd. Peek & Cloppenburg (Düsseldorf) bearbeitet Deutschlands Westen und Süden sowie Leipzig und Berlin, die Hamburger den Norden des Landes und Dresden. Anders als die Aldi-Zweige konkurrieren sie sich im Ausland allerdings, was trotz zahlreichen Hinweisen etwa im Online-Auftritt zu Verwirrung führen kann. Dass die Insolvenz des Düsseldorfer Hauses das Schisma beendet, ist fürs Erste allerdings nicht zu erwarten.

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